Leute machen Kleider

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Die Herstellungsbedingungen auch von Kleidung und Heimtextilien geraten zunehmend ins Visier der Öffentlichkeit. Wichtiger wird auch hier, dass Hersteller und Händler Umwelt- und Sozialstandards einhalten. Dass dies häufig nicht passiert, zeigt eine Studie der „Kampagne für Saubere Kleidung“. Sie weist auf gravierende Missstände in den Produktionsstätten der Textil- und Bekleidungsindustrie hin. Verbraucher sollten auf glaubwürdige Label achten, die faire Preise und gesundheitlich unbedenkliche Herstellung garantieren.
Der Textilien- und Bekleidungsmarkt der Industrieländer hat sich seit den 1950er Jahren stark verändert. So ist in Deutschland von 1955 bis 2005 die Anzahl der Betriebe von 4.500 Fabriken mit einer halben Million Beschäftigten auf 1.300 Betriebe mit 140.000 Beschäftigten geschrumpft. Bei den Textilhändlern ist es zu einer starken Marktkonzentration gekommen: Die 70 größten Unternehmen, darunter KarstadtQuelle, Otto, Metro, C&A, H&M und Discounter wie Lidl, kik und Aldi, teilen sich 65 Prozent des Marktes.
Gleichzeitig ist der Gesamtumsatz in Deutschland nur geringfügig zurückgegangen, da die Textilbranche den Großteil ihrer Ware aus Billiglohnländern importiert. In Zeiten der Globalisierung produzieren die großen Marken vor allem dort, wo die Arbeitskosten am niedrigsten sind. Zum Vergleich: Eine Arbeitsstunde in Dänemark kostet 25 Euro inklusive aller Lohnnebenkosten - in Bulgarien kostet sie nur knapp einen Euro. Die Situation hat sich durch den Wegfall des Multifaserabkommens im Jahr 2005 noch einmal verschärft. Das Abkommen setzte bis dahin dem Import aus diesen Ländern eine Grenze. Mittlerweile kommen nur noch 34,7 Prozent der Textilien und Kleider aus der EU, hingegen allein 38,4 Prozent aus Asien, davon der Löwenanteil von 19,3 Prozent aus China. Der globale Wettbewerbsdruck in der Textil- und Bekleidungsbranche hat weltweit zugenommen, der Preisdruck setzt Herstellern und Händlern zu und hat nicht zuletzt Auswirkungen auf die Arbeits- und Umweltbedingungen in den Produktionsstätten.
Arbeits- und Umweltbedingungen
Um zu gewährleisten, dass die Herstellungsbedingungen in den Fabriken auch hinreichenden sozialen und ökologischen Anforderungen entsprechen, gibt es einige Standards, zu denen sich auch die großen Markenfirmen verpflichten. Dazu gehören vor allem die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO). Sie verbieten ausbeuterische Kinderarbeit ebenso wie Zwangs- und Pflichtarbeit oder Diskriminierung am Arbeitsplatz und verlangen das Recht auf Kollektivverhandlungen. Viele Verbände oder Gewerkschaften wenden ein, dass dies nur Mindestanforderungen sind und darüber hinaus existenzsichernde Löhne gezahlt und die Arbeitsstunden begrenzt werden müssen. Außerdem sollten Arbeiter in festen Beschäftigungsverhältnissen, inklusive arbeits- und sozialrechtlichen Verpflichtungen, angestellt werden, um „Hire- and Fire“-Praktiken zu vermeiden.
Diese Bedingungen werden häufig nicht eingehalten. Der Preisdruck entlang der Produktionskette hat dazu beigetragen, dass oft lange unbezahlte Überstunden geleistet werden müssen. In einer Studie der „Kampagne für saubere Kleidung“, die in 40 Fabriken unter 670 Beschäftigen durchgeführt wurde, berichten die Arbeiterinnen, dass sie manchmal bis zu 17 Stunden am Tag arbeiten und nur 1 bis 2 Tage pro Monat frei bekommen. Manche der vor allem weiblichen Beschäftigten bestätigen, dass sie auf Pausen und Toilettengänge verzichten müssen, um die kurzen Lieferfristen der Auftraggeber einhalten zu können. Dabei stehen auch die Vorgesetzten unter Druck, den sie an die Beschäftigten weitergeben. Um dem Druck standzuhalten, nehmen die Arbeiterinnen häufig Schmerzmittel oder Aufputschmittel, die sie wach halten sollen. Die gesundheitliche Belastung ist durch den Stress in den Herstellerbetrieben hoch. Hinzu kommen Gesundheitsbelastungen, die durch die umweltschädliche Verwendung von Chemikalien vor allem beim Färben der Stoffe entsteht.
Die Umweltbedingungen bei der Herstellung von Textilien sind meist ungenügend: Allein die Lieferkette eines Kleidungsstückes kann bis zu 50.000 Kilometer betragen und ist somit ausgesprochen umwelt- und klimaschädlich. Dabei wird die Baumwolle in Kasachstan hergestellt, in Indien zu Garnen verarbeitet, auf den Philippinen gefärbt und in Polen gewebt; in China werden die Kleider genäht, in Italien mit Knöpfen versehen und nachdem ihnen in Rumänien Herstellungsschilder eingenäht wurden, erreichen sie schließlich die hiesigen Kaufhäuser und Boutiquen. Trotz des immens langen Transportweges kommt der Artikel bei uns immer noch zu einem manchmal überraschend günstigen Preis an.
Hinter der Vernachlässigung von ausreichenden Arbeits-, Gesundheits- und Umweltstandards verbirgt sich ein massiver Preiskampf, der die Branche immer stärker unter Druck setzt. Doch gibt es immer mehr Textilhandelsunternehmen, die auf die Berichte schlechter Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten reagieren. Sie führen immer häufiger Inspektionen in den Fabriken der Zulieferer durch, um die Sozial- und Umweltstandards zu überprüfen.
Ungenügende Inspektionen
Mittlerweile ist ein ganzer Industriezweig entstanden, der sich mit der Inspektion von Arbeitsbedingungen in Herstellungsstätten für den europäischen und US-amerikanischen Handelsmarkt beschäftigt. Zehntausende so genannter Audits werden jährlich von bzw. für Markenfirmen durchgeführt. Meist werden die Fabriken von eigenen Mitarbeitern, manchmal durch unabhängige Institute geprüft. Dabei ist die Qualität der Audits höchst unterschiedlich und reicht von kurzen Stippvisiten bis hin zu stundenlangen Befragungen der Beschäftigten. Leider werden die Arbeiterinnen selten selbst danach befragt, wie sie ihre Arbeitsbedingungen bewerten. Da häufig keine Betriebsräte oder sonstige Beschwerdeverfahren vorhanden sind, haben sie keinerlei Möglichkeiten über ihre Situation offen zu sprechen und über Missstände zu berichten. Ein weiteres häufiges Problem bei Inspektionen ist, dass sie vorher angekündigt werden. Dadurch bleibt den Managern genug Zeit, sich darauf vorzubereiten und den Beschäftigten Antworten auf eventuelle Fragen vorzugeben. Auch Bestechung der Inspekteure oder Fälschungen der Akten sind keine Ausnahme in den Fabriken.
Seit 1990 berichtet die „Kampagne für saubere Kleidung“ (Clean Clothes Campaign) über die Zustände in den Nähfabriken der Billiglohnländer. Getragen von u. a. Verbraucherorganisationen, Gewerkschaften und Menschenrechtsgruppen, macht die Kampagne darauf aufmerksam, dass die Inspektionen verbessert werden müssen, indem sie unangekündigt und von unabhängigen Organisationen durchgeführt werden. Sie weisen darauf hin, dass die Handelsunternehmen noch stärker darauf achten müssen, unter welchen Umständen ihre Ware produziert wird.
Das können Verbraucher tun
Wer garantiert und zu 100 Prozent biologisch und sozial unbedenkliche Kleidung erwerben möchte, kann sich an Textilhändler wie Hess Natur, Maas Naturwaren oder El Puente wenden. El Puente engagiert sich zum Beispiel gleich dreifach für öko-faire Textilien: Neben dem Verkauf entsprechender Produkte hat die Marke einen „Verein zur Arbeits- und Sozialförderung in Entwicklungsländern“ gegründet, der Bildungsarbeit zum Thema fairer Handel leistet. Außerdem gibt es noch eine GmbH, die den direkten Kontakt zu den Betrieben herstellt und Ware an Eine-Welt in ganz Deutschland vertreibt.
Seit Herbst 2007 gibt es in Deutschland Textilien mit Fairtrade-Baumwolle. So erweitert sich das Fairtrade-Angebot um Produkte wie Jeans, Kleider, Röcke oder Socken. Die Bauern und ihre Familien profitieren von den Fairtrade-Standards, die ihnen einen festen Mindestpreis und einen Fairtrade-Aufschlag garantieren. So können die Lebens- und Arbeitsverhältnisse deutlich verbessert werden. Einen Überblick über fair gehandelte und umweltfreundlich hergestellte Textilmarken bietet http://www.ecotopten.de/produktfeld_kleidung.php vom Öko-Institut e.V..
In den üblichen Textilhandelsketten und Kleiderboutiquen erhält man nur selten fair gehandelte und ökologisch unbedenkliche Textilien und Kleidung. Hier können sich Verbraucher nur anhand der Kennzeichnung mit textilen Gütezeichen orientieren. Textillabel bewerten dabei zum Teil auch Sozialkriterien bei der Herstellung der Produkte. Zum Beispiel prüft das Gütezeichen Ökotex 100 plus sowohl die Herstellungsbedingungen als auch die Umweltqualität der Stoffe. So wird u. a. der Schadstoffgehalt und der Einsatz von Chemikalien überprüft, aber auch, wie umweltbewusst der Betrieb ist und ob Beschäftigte ein Recht auf Versammlungsfreiheit haben oder ob sie Zwangsarbeit leisten. Doch Vorsicht vor unglaubwürdigen Gütezeichen. Besonders in der Textil- und Bekleidungsindustrie zeigt sich eine Flut von Labeln, die oft von den Marken selbst hergestellt werden und keiner Qualitätsprüfung unterliegen. Deshalb sollten Verbraucher überprüfen, ob es sich um ein verlässliches Zeichen handelt. Die Datenbank www.label-online.de der VERBRAUCHER INITIATIVE e.V. bietet Verbrauchern einen Überblick über gängige Textil-Label und bewertet ihre Qualität.
Boom bei öko-fairer Kleidung?
Entgegen dem allgemeinen Trend in der Bio-Branche steht der Boom beim Kauf sozial und ökologisch unbedenklich hergestellter Kleidung noch aus. Die Überprüfung der gesamten Produktionskette von der Fasergewinnung, über die Textilerzeugung, Färbung, Konfektionierung, den Handel bis hin zum Gebrauch ist es ein langer und weiter Weg. Die Kette nach sozialer und ökologischer Unbedenklichkeit zu überprüfen, ist nicht leicht, aber die genannten Beispiele von Marken und Labeln zeigen, dass es möglich ist. Verbraucher können dazu beitragen, dass auch der konventionelle Handel die Herstellung seiner Produkte umfassend überprüfen und entsprechend zertifizieren lässt, indem er solche Ware nachfragt.
Wie sich zeigt, bietet die textile Kette viele Möglichkeiten für Verstöße gegen soziale und ökologische Standards. Menschenwürdige Arbeitsbedingungen müssen aber ebenso Qualitätsmerkmal von Kleidungsstücken und deren Verarbeitung sein wie die Qualität der Ware und Preisargumente. Das Beispiel Bio-Lebensmittel hat gezeigt, dass Verbraucher das Angebot öko-fairer Ware im Sortiment annehmen. Textilhandelsunternehmen, die mit gutem Beispiel vorangehen und solche Produkte anbieten, könnten sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen und ihr Image steigern.